stammtisch

impulsvortrag von Harald Reiterer

 

Auftakt der online Veranstaltung war eine kurze Präsentation vom Verantwortlichen der Green Mobility, einer Anlaufstelle für Grüne Mobilität, organisiert von den Südtiroler Transportstrukturen STA AG, einer Inhouse der Autonomen Provinz Südtirol.

Kurz und knapp wurde die allgemeine Lage in Südtirol zusammengefasst: „Verkehr nervt Südtiroler am meisten“.

Dieser ist Verantwortlich für 50% der Emissionen in Südtirol (2,3t CO2 pro Person pro Jahr)

Ziel ist es, Südtirol als Modellregion für nachhaltige alpine Mobilität vorzubereiten.

Aufbauend auf den Klimaplan Südtirol wurde ein strategischer Leitplan und ein Maßnahmenpaket vom Frauenhofer Italia erstellt. Diese sogenannte Roadmap gibt Indikationen und Trends vor, wie die Mobilität Südtirols bis 2030 aussehen könnte. (Okt 2016)

10 Mio. Euro wurden für die Umsetzung vorgesehen (ursprünglich pro Jahr, aber Geld leider nicht verfügbar. Jetzt muss laufend Finanzierung gefunden werden).

 

Pyramide der nachhaltigen Mobilität

Vermeiden

Der umweltfreundlichste Verkehr ist der, den es gar nicht gibt.

Dabei spielt die Urbanistik eine wichtige Rolle: heute gibt es funktionale Zonen (Arbeit, Freizeit, Schule, Wohnenman bewegt sich, es entstehen notwendige Wege). Das Ziel ist es dabei, die vorhandene Fläche optimal zu nutzen. Stichwort intelligente Raumplanung und mit kurzen Wegen für Fußgänger und Radfahrer. 

Zudem können regionale Wirtschaftskreisläufe dazu beitragen, unnötiges Verkehrsaufkommen zu vermeiden. Beispielsweise Home-Office: Ein Arbeitstag pro Woche im Smart Working bedeutet 20% weniger Berufsverkehr. Genauso wie es Mobilitätslehrgänge in Zusammenarbeit mit Gemeinden geben sollte, Leitlinien, verbesserte Kriterien zur Vorprüfung von Straßenbauprojekten usw.

Verlagern

Verkehr, der sich nicht verlagern lässt, sollte auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verlagert werden (Öffentliche Verkehrsmittel, Rad)

ÖPNV: verschiedenste Projekte, z.B. Südtirol Takt, Bahn, Pass; Elektrifizierung Vinschgerbahn, Errichtung von Mobilitätszentren, BBT, usw. 

Für die Verkehrsverlagerung ist auch ein Umdenken in der Gesellschaft unbedingt notwendig (Bsp.: Konzept der autogerechten Stadt nach dem zweiten Weltkrieg in Bozen Früher unvorstellbare Dinge können normal werden. Bsp.: Fahrradfreundliche Stadt im 21. Jh.: Beispiel Kopenhagen: E-Bikes, Cargo-Bikes, Falträder, Bike-Sharing, Radtourismus, Radkultur

Will man eine Stadtplanung, die auf Autoverkehr ausgerichtet ist oder will man eine Stadtplanung mit Fokus auf Verkehrsberuhigung und Shared Space? 

Initiative „Südtirol radelt“ (seit 2014): spielerischer Ansatz zum Alltagsradeln (bei 100km nimmt man an Verlosung teil)

Errichtung von Fahrradboxen an Bahnhöfen: es muss einfach gemacht werden, mit dem Rad zum Bahnhof zu kommen (Zugang mit Südtirol Pass bis jetzt noch nicht möglich)

Lastenräder: Förderung für Unternehmen und Private

Fördertopf bei der Abteilung Mobilität: für Gemeinden, Unternehmen und Organisationen mit Sitz in Südtirol

verbessern

Der verbleibende Verkehr sollte optimiert werden:

– E-Mobilität: Südtirol hat gute Voraussetzungen, Strom aus erneuerbaren Energiequellen plus wird hierzulande mehr Strom produziert als gebraucht wird:

  • Schnellladesäulen entlang der Hauptrouten (aktuell rund 75) – Reichweite der E-Autos wird aber immer besser + Förderungen für Ladestationen auch für Privatpersonen
  • Wasserstoff: in BZ 5 Brennstoffzellenbusse
  • Förderungen E-Autos (Wasserstoff- und Batterie) → bei Plug-in-Hybriden: Beitrag beträgt die Hälfte

Vorteile E-Autos: weniger Luftverschmutzung + niedrigere Kosten (Anschaffung höher, aber Fixkosten, Kraftstoffe und variable Kosten niedriger) + vermeidet Lärm + energieeffizient

  • September: E-Drive-Day: E-Fahrzeuge ausprobieren

  • E-Test-Days für Unternehmen: E-Fahrzeuge im Betriebsalltag testen

  • Test-Aktion „relaxed to work“– bis 18. Juli E-bikes ausprobieren

  • Carsharing

  • Best Practice: z.B. Energiegenossenschaft Mauls

  • Betriebliches Mobilitätsmanagement: Unternehmen und Führungskräfte sollten Vorteile der nachhaltigen Mobilität und insbesondere der Radmobilität berücksichtigen:

Vorteile für Mitarbeiter (Zeitmanagement, Gesundheit, weniger Kosten)

Arbeitgeber (bessere Erreichbarkeit, dadurch mehr Kundennähe, geringere Parkplatzauslastung durch Mitarbeiter) derzeit Pilotprojekt in Bozen, Bsp.: Microtec

Geringere Kosten, weniger Parkplätze usw.

Südtiroler Mobilitätspreis

– Sonstige Projekte: SOS Zebra Schulprojekt nachhaltige Mobilität

Diskussion

Carina von Basis Vinschgau Val Venosta eröffnet die Diskussion. 

–  Thomas Lanthaler, Gemeinderat Moos in Passeier: findet die Förderung für E-Bikes gut, allerdings seien Fahrradwege nicht ausreichend ausgebaut bzw. sicher (nennt Bsp. Holland)

–  Antwort Harald Reiterer: berechtigter Einwand, gesamtes Angebot muss ausgebaut werden. Auch hier passiert viel. Bsp. Brixen oder Bruneck und Umgebung zur Verbesserung der Radwege mit Experten aus Kopenhagen – Verbindung zwischen den Ortschaften sei nicht schlecht, übergemeindliches Radwegenetz – im Dorf/in der Stadt Verbesserungsbedarf + Abstellanlagen und – möglichkeiten.

Winterdienst: Strecken, die als Alltagsstrecken genutzt werden müssen auch im Winter fahrradbereit gestaltet werden. Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, es gäbe viele Möglichkeiten.

Thomas Lanthaler: Fokus Stadt, wo größtes Potenzial zur Verkehrvermeidung der ländliche Raum sei eher auf Autos angewiesen, da auch die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend ist

–  Harald Reiterer: Ja, aber E-Bikes als Alternative auch im ländlichen Bereich

 

Madeleine Rohrer, Verkehrsstadträtin Meran: Unterschreibt was Harald sagt.

Sieht Mobilitätspreis als gute Startmöglichkeit, weil es für die Umsetzung von Projekten Geld braucht dabei werden die Gemeinden oft alleine gelassen. Land finanziert übergemeindliche Radwege, aber nicht innergemeindliche.

Aus Solidarität sollten alle, die nicht unbedingt auf das Auto angewiesen sind (Stadtler), auf das Auto verzichten.

Von Planung bis Umsetzung eines Projekts dauert es meist 2 Jahre.

Was Gemeinden hilft ist die Lobby: Radfahrer sind normalerweise stille Verkehrsteilnehmer. Zusammenschluss von Radfahrern zur Förderung der Radmobilität würde vieles bewegen.

„Wenn es uns wichtig ist, sollten wir dies öffentlich kundtun“

Auch wirtschaftliche Argumente sollten hinzugezogen werden. Umfrage in Meran zeigt: Autofahrer kaufen außerhalb von Meran ein Radfahrer und Fußgänger hingegen bleiben in der Gemeinde, somit auch die Wertschöpfung. 

Linda Schwarz, Präsidentin Protect Our Winters Italy: testet E-Bike Frage an Harald Reiterer: wie erreicht man auch Unternehmer, dass sie auch die Notwendigkeit sehen, auf nachhaltige Mobilität umzusteigen?

–  Harald Reiterer: Sensibilität steigt, auch auf Unternehmerseite (Microtec, Mobilitätspreis) betriebliches Mobilitätsmanagement (Memc? Pilotprojekt mitinitiiert von Madeleine Rohrer)

Firmen durchlaufen Prozess, fragen sich wie sie ihre Mobilität verbessern können auch wirtschaftliche Punkte: weniger Parkplätze, weniger Krankenstände (im Schnitt weniger krank im Jahr), Image (Unternehmensgruppe Oberrauch gibt Angestellten Incentives wenn sie mit dem Rad fahren; auch in anderen Ländern: Kilometergeld jeder mit dem Auto gefahrene km kostet die Gesellschaft Geld jeder mit dem Rad gefahrene km bringt einen Mehrwert)

Erfahrungsbericht: man kommt mit einem klaren Kopf in die Arbeit, wenn man das Fahrrad anstelle des Autos nimmt.

– Carina stellt Frage an Fabian Kobalt, Initiator Nightliner Vinschgau – Wie ist er dazu gekommen?

– Fabian Kobalt: Nightliner war schon vorher da. Er selbst hat die Shuttles in die Seitentäler organisiert (Martell, Taufers, Stilfs…) → über das Land und die Bezirksgemeinschaft mit Unterschriften von Jugendvertretern aus den Seitentälern. Funktioniert nicht in allen Tälern gleich gut, teils Widerstand vonseiten der Gesellschaft und Taxifahrern. In Martell hingegen funktioniert es sehr gut. Er wollte eigentlich in der eigenen Gemeinde etwas bewirken, aber durch die Zusammenarbeit mit der Bezirksgemeinschaft konnte das Projekt in verschiedenen Gemeinden umgesetzt werden.

– Frage an Martin Oberhofer, Alpenverein Südtirol: AVS gibt Broschüre heraus ‚Wandern ohne Auto‘ (Empfehlungen für Wanderungen mit Öffis).

Bei ernsteren Touren ist es jedoch schwieriger, bzw. auch wenn man früh starten muss. Der AVS will vermehrt die Bergsteigerdörfer fördern, bzw. einen längeren Aufenthalt, um von dort das Gebiet zu erkunden. Tagestouren seien fast unmöglich ohne Individualverkehr. Ziel: Leute länger in Orten zu halten und nicht jeden Tag mit dem Auto irgendwo hin zu fahren.

Zweites Problem: wenn man viel Ausrüstung dabei hat (Rad, Tourenski) ist es mit den Öffis schwierig. 

– Carina: unterwegs am Berg: schwierig mit Öffis hinzukommen, großer Aufholbedarf! 

–  Vorschlag Martin Oberhofer: jeden Bus mit Vorrichtung ausstatten, dass man Rad/Ski mitnehmen kann würde viele Wege in die Täler erleichtern, oder man hätte zumindest eine Alternative

– Frage an Christine Tappeiner, Vinschgau Marketing: was können Tourismusvereine berichten? 

Christine Tappeiner (eigentlich in Vertretung der IDM): Ziel: Südtirol zum begehrtesten nachhaltigen Lebensraum machen – kleine Initiativen sind immer zu begrüßen – hängt davon ab wie es vor Ort getragen werden kann (nicht nur zentral aufgezogen) Bsp. Matsch Wanderbus funktioniert ganz gut → kann auch Vorteil für Tourismusdestination sein

Linda Schwarz: Zukunftsreport 2030 Eurac, wo genau dies Thema war: nachhaltige Mobilität und Tourismus – für Touristen immer wichtiger, dass sie in nachhaltige Destination reisen

André Mallosek, Plattform Land: Situation, wie bereits besprochen, im ländlichen Raum anders als in der Stadt begrüßt besseres Radwegenetz in den Städten.

Für den ländlichen Raum benötigt es:

  • multimodale Lösungen (um in Täler zu kommen von Bahnhof E-Bike oder Car-Sharing)
  • Umdenken: nicht Verkehr für Individualverkehr ausbauen, sondern Tempo 30 in Gemeinden andererseits

–  Harald Reiterer: zum Stichwort multimodale Lösungen: Gemeinden sind gefragt worden inwieweit sie Interesse an Bikesharing hätten (an Bahnhöfen z.B. um letzte Meile zurückzulegen) hilft nur für kurze Strecken Car-Sharing punktuell besser, aber flächendeckend kostenaufwändig, rentiert sich nicht. Öffis müssen gut getaktet sein.

–  Linda Schwarz: kritische Frage: Bikesharing Stationen: wieso funktioniert es in anderen Städten, aber in Bozen nicht bzw. wieso wird es nicht so häufig genutzt?

–  Harald Reiterer: nicht sehr glückliches System in Bozen funktioniert oft nicht, Vandalismus ist Thema. Sind dabei ein Pilotprojekt für ein südtirolweit einheitliches Bikesharing System einzuführen, um Städten und Gemeinden anzubieten, das dann hoffentlich mehr genutzt wird

–  Linda Schwarz: Angebot und Nachfrage. Beispielstadt Florenz: Sharing Bikes können überall liegengelassen werden, auch nicht optimal.

Christine Tappeiner: gibt es jemanden der weiß, wo es in anderen alpinen Regionen mit der nachhaltigen Mobilität und Radmobilität gut funktioniert ? Man hört oft von großen, meist nordischen Städten. Und natürlich das gut verzweigte Busnetz der Schweiz – Ergänzung Carina: orientiert sich Südtirol an anderen oder sind es eigene Ideen?

–  Harald Reiterer: schauen laufend was sonst so geht (Kopenhagen, Holland) wir dürfen uns nicht mit Süditalien vergleichen, sondern mit Mittel- und Nordeuropa.

Anderer Punkt: Parkplätze an Arbeitsplatz sind zu billig. Man sollte fördern was sinnvoll ist und eher hindern (oder zumindest nicht gratis zur Verfügung stellen) was nicht wünschenswert ist.

Green Mobility macht Vorschläge, bringt Ideen ein, Politik muss Dinge umsetzen. Mobilitätslandesrad Alfreider steht hinter der Radmobilität. Es braucht ein Gesamtpaket, um Dinge umsetzen zu können, auch finanzielle Ressourcen.

Christine Tappeiner: zurück zu ihrer Frage: sie wohnt in Tschengls, dort gibt es kein Netzwerk für öffentlichen Verkehr, City Bus aber nur sehr dürftig. Hat jetzt e-bike, aber im Winter schwierig) – Wie gehen andere, vergleichbare Gebiete mit solchen Situationen um – Kultursache?

 

–  Linda Schwarz: Projekt in Langenzersdorf in Österreich „Nimm mi mit Stationen“, als Mitfahrbörse: auf freiwilliger Basis – Protect Our Winters Italy (abgekürzt POW IT) mit der Gemeinde Eppan im Gespräch: haben vor dies im Herbst 2020 umzusetzen

–  Anna, Teilnehmerin in der Diskussionsrunde: Prad: Bus-Zug-Rad zur Arbeit hat gut funktioniert auch im Winter. Wichtig auch im Bereich Tourismus: öffentliche Toiletten usw. Problem: Wander- und Fahrradwege werden oft als Toilette genutzt.

–  Linda Schwarz: beim Verfolgen der Ziele müssen die Rahmenbedingungen beachtet werden. Es gibt viel Nachholbedarf in diesem Bereicht (z.B. Pumpstationen, Ausbau der Beleuchtung der Radwege).

–  Thomas Lanthaler: fährt jeden Tag von Moos bis Meran zur Arbeit, würde gerne Menschen mitnehmen. Steinzeitliches System an Online Plattformen (besser wäre eine Art Tinder für Fahrgemeinschaften) um spontanes Carsharing zu betreiben. Land sollte Vorreiter auch in diesem Bereich sein.

André Mallosek im Chat: „Last but not least: es braucht neben guten Angeboten in Stadt & Land auch eine nachhaltige Einstellung zum eigenen Mobilitätsverhalten. Wenn man immer die bequemste Lösung wählt, dürfte das nicht immer die nachhaltigste sein :-)“

fazit

Dank der vielen Eindrücke, Meinungen und Informationen seitens der ExpertInnen konnte ein guter Einblick in den Stand der Dinge, was Grüne Mobilität in Südtirol anbelangt, gegeben werden. 

Die OrganisatorInnen, Carina Matscher, Carmen Geyr, Luca Daprá und Linda Schwarz bedankten sich bei den Beteiligten und insbesondere bei der Green Mobility und der Basis Vinschgau Val Venosta für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Als Schlusswort meldete sich Harald Reiterer zu Wort und lobte das Engagement von POW IT und sprach seine Hilfe für zukünftige Projekte aus. 

Der digitaler Stammtisch war ein voller Erfolg und kann jederzeit wiederholt werden. Für POW IT war dieses Event der offizielle Start in seine Tätigkeit und stellt somit einen Meilenstein dar!

Wo brennts?

Du hast ein Thema, welches dich begeistert, aufregt oder von dem du eine Expertenmeinung hören möchtest? Wenn du uns mit deinem Vorschlag überzeugen kannst, werden wir einen zweiten digitalen Stammtisch organisieren.

 

info@protectourwinters.it

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